Der Ausgangspunkt ist nicht das freie gesellschaftliche Individuum
Zur Z i r k u l a t i o n gehört wesentlich, daß der Austausch als ein Prozeß, ein flüssiges Ganze von Käufen und Verkäufen erscheint.
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Das Kapital
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Der Untertitel des Marxschen Werkes lautet: „Kritik
der politischen Ökonomie“, und Politische Ökonomie nannte sich
seinerzeit jene Wissenschaft, deren Nachfahre wir heute unter der
Bezeichnung Volkswirtschaft kennen. Im „Kapital“ haben wir es demnach
nicht so sehr mit einem Pamphlet gegen die Übelstände des Kapitalismus
zu tun, obwohl sie reichlich darin vorkommen.
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: Ein Nazi und sein Schüler: Karl Bosl und Wolfgang Benz
"
Am 11. November 2008 wurde in der oberpfälzischen Stadt Cham der
Prof.-Dr.-Karl-Bosl-Platz feierlich eingeweiht(1), am 6. Juli 2009
wurde vom Bayerischen Philologenverband erstmals die Karl-Bosl-Medaille
verliehen(2), und für den 26. November 2009 wurde eine Veranstaltung
mit dem Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA), Wolfgang
Benz, mit den Worten angepriesen, Benz habe 1968 bei Karl Bosl
promoviert.(3) Karl Bosl ist also en vogue und scheint ein echter
deutscher oder gar bayerischer Held gewesen zu sein.
„Erinnern oder Verweigern“ heißt eine Ausgabe der „Dachauer Hefte“,
die von Barbara Distel und Wolfgang Benz 1990 herausgegeben wurde. Kaum
ein Wissenschaftler oder Journalist hat sich offenbar je gefragt, wo
Wolfgang Benz wissenschaftlich groß geworden ist. Wo hat der Mann
promoviert und bei wem? Wer selbst promoviert hat oder mit Freunden und
Kollegen darüber spricht, weiß: Es ist ein sehr bewusster Prozess, bei
wem man schließlich seine Doktorarbeit schreibt.
Wolfgang Benz hat 1968 in München beim 1908 geborenen
Mittelalterhistoriker Karl Bosl promoviert.(4) 1988 erschien anlässlich
des 80. Geburtstages von Bosl eine Festschrift; Benz ehrte dort wie
selbstverständlich den Jubilar mit einem Beitrag.(5) Bereits 1983 war
er – wie der selbst ernannte Faschist Armin Mohler und der
nationalsozialistische Historiker und antisemitische „Ostforscher“
Theodor Schieder – Teil der umfangreichen Tabula Gratulatoria, als Bosl
seinen 75. Geburtstag feierte. Das ist durchaus bemerkenswert, denn
keineswegs alle ehemaligen Schüler von Karl Bosl verehrten ihren
Doktorvater weiterhin: Ein Freund von Benz beispielsweise, der
Historiker Falk Wiesemann, der insbesondere zur deutsch-jüdischen
Geschichte forscht, hat sich jedenfalls nicht in die Gratulantenschar
von 1983 eingereiht.(6)"
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/print/0014713
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Antisemitismus und bürgerliche Gesellschaft
Daniel Goldhagen schreibt: „Die Existenz des Antisemitismus und der Inhalt der antisemitischen Vorwürfe“ sind „grundsätzlich keine Antwort auf objektiv bewertetes jüdisches Handeln ... der Antisemitismus speist sich aus kulturellen Quellen, die unabhängig von Wesen und Handlungen der Juden sind.“2 Was die wirklichen Juden und Jüdinnen sind und waren, was ihr Judesein ausmacht, das ist darum, kantisch gesprochen, als ‚Ding an sich‘ zu betrachten: die Antisemiten erkennen von den Juden – a priori - nur das, was sie selbst in sie legen. Und darin hätte die Antisemitismus-Forschung tatsächlich ihren kategorischen Imperativ: das Verhältnis von Judentum und Antisemitismus nicht als kausalen Zusammenhang von Ursache und Wirkung zu denken.
Etwas anderes aber ist es, die Voraussetzungen für die Projektionsmechanismen des Antisemitismus materialistisch zu begreifen – und hier wo es um die Genese des Antisemitismus geht - liegen auch die Grenzen von Goldhagens Untersuchung. An diese Grenzen stößt allerdings ebenso eine Sichtweise, die den Antisemitismus unmittelbar aus der bürgerlichen Gesellschaft ableitet, und von dessen religiöser Exposition nichts wissen will. Eine strikte Trennung von religiösem Judenhaß und rassistischem Antisemitismus verkennt deren inneren Zusammenhang, übersieht, daß es ebenso eine ursprüngliche Akkumulation des Antisemititsmus gab wie eine des Kapitals. Das wäre der erste Schwerpunkt meines Referats.
Der zweite betrifft die Differenzierung zwischen Antisemitismus im besonderen und Rassismus im allgemeinen. In beiden Fällen hat man es mit Projektionen zu tun, projiziert aber wird etwas jeweils Verschiedenes und auf verschiedene Weise, wenn das Feindbild ‚Jude‘ oder ‚Neger‘, aber auch ‚Zigeuner‘ oder ‚Hexe‘ in Anschlag gebracht wird. Für den Antisemitismus ist das Moment der Verkörperung eine Schlüsselfrage: Mögen seiner Phantasie nun Gottesmörder oder Wucherer, schöne Jüdinnen oder ewige Juden, Ritualmörder oder raffende Kapitalisten entspringen - sie ist stets vom selben Wunsch besessen: das Unheimliche des abstrakt gewordenen Reichtums, das ‚sich selbst vermehrende‘ Geld zu personifizieren. Diese Rolle wird dem Judentum zugedacht - doch gespielt wird sie vom Antisemiten. Nur wenn dieser sich in ‚den Juden‘ - also in sein eigenes Hirngespinst –
1 Der Vortrag, gehalten bei der Roten Ruhr Uni 99, stützt sich im wesentlichen auf das Buch: Verborgener Staat, lebendiges Geld. Zur Dramaturgie des Antisemitismus. Freiburg: ça ira Verlag 1999. 2 Daniel Jonah Goldhagen: Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust. Berlin 1996. S.58f.
‚hineindenkt‘ und ‚einfühlt‘, erscheint die Verkörperung des Geldes durch ‚den Juden‘ überzeugend. Die Antisemiten glauben damit, des Abstrakten und Unheimlichen endlich habhaft zu werden - und fördern doch nichts anderes zutage als ihr eigenes verborgenes Wesen.
In psychoanalytischer Perspektive kann das Unheimliche als jenes ursprünglich Vertraute, eigentlich Heimliche, gelten, das erst durch den Prozeß des Verdrängens fremd geworden ist. Nur hat man es beim Geld mit einer Verdrängung zu tun, die zugleich reale Abstraktion ist: denn im Vollzug des Tausches wird gewissermaßen objektiv verdrängt - wird abgesehen von der Eigenart der Produzierenden und Konsumierenden, vom Modus der Produktion und der Herkunft der Bedürfnisse. Ist also die antisemitische Phantasmagorie die Wiederkehr dieses Verdrängten? Es entbehrt jedenfalls nicht einer gewissen Logik, daß sich die Personifikation des Geldes in Gestalt ‚des Juden‘ mit all jenem ‚Heimlichen‘ anreichert, das in einer bestimmten Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit aus dem Bewußtsein verbannt wird. Das heimliche Eigene kehrt in Gestalt des unheimlichen Jüdischen wieder: von der Lust, das Allerheiligste zu schänden über die Sehnsucht nach einem Leben ohne Arbeit bis zu den verborgensten Wünschen im Sexuellen. Indem der Antisemit das eigene unehrenhafte Verlangen dem Judentum unterschiebt, leistet er der Obrigkeit seinen Tribut. Antisemitismus bedeutet immer ein heimliches Einverständnis mit dem Staat als dem Schutzherrn der Tauschabstraktion - bei gleichzeitiger Verdammung dieser Abstraktion; ja er ist darum – so subversiv und revolutionär er sich auch geben mag - das tiefste mögliche Einverständnis.
Der dritte Schwerpunkt des Referats betrifft
schließlich ganz in diesem Sinn die Besonderheit der
deutschen Entwicklung seit der Französischen Revolution.
Die christliche Metaphorik bildet den Ausgangspunkt, um eine neue, quasi-ethnische, im eigentlichen Sinn: protorassistische Identität hervorzubringen. Für die Identität der Christen gewinnt dabei das Blut von Jesus die größte Bedeutung. Die der Juden aber wird vom Teufel markiert. Der Satan dient im christlichen Diskurs dazu, die physische Identität der Juden mit dem sich fortzeugenden Geld sichtbar zu machen, die Nichtjuden hingegen werden durch das Blut Christi stigmatisiert und vom Geld-Interesse gereinigt.
Weil sie das kostbare Blut Christi vergossen hätten, gäbe es für die Juden keine Besserung und keine Vergebung, präzisierte Johannes Chrysostomos das Evangelium, einer der vehementesten Judenfeinde der alten Kirche.3 Und hier liegt auch der Sinn der immer weiter ausgebauten und intensivierten Marter- und Geißel-Szenen der Passionspiele und der bildlichen Darstellungen der christlichen Kunst des späteren Mittelalters: es geht offenbar darum, das Blut aus der Passion herauszuarbeiten. Die Funktion der Geißelung, der Dornenkrönung und der Kreuzigung besteht mit zunehmender Konsequenz darin, das Blut zum Vorschein zu bringen.
Die Passionsspiele und Passionsbilder entwickelten sich in auffälliger Parallelität zu den Legenden des Ritualmordes. Der etwas später auftauchende Vorwurf der Hostienschändung stellt eine symbolisch verschlüsselte und zugleich flexiblere Form der Blutbeschuldigung dar: auch dabei geht es um das Blut, das die Juden haben wollen und das sie der Hostie ‚aussaugen‘, indem sie ihr Stiche versetzen. (Die Suche nach einem Anlaß für Vertreibung und Tötung der Juden wird dadurch von der Notwendigkeit entbunden, eine Leiche als ‚Beweisstück‘ vorzuweisen, eine mit Blutstropfen versehene Hostie genügt.) Als eine Art Grundstruktur wiederholt sich das Motiv, daß die Juden ihr Opfer - sei‘s ein Christenkind oder bloß eine Hostie - zunächst mit Geld kaufen, ehe sie es martern, kreuzigen, stechen oder schächten und auf diese Weise sein Blut bekommen. Was sie mit dem Blut tun, variiert hingegen je nach Legende: sie benötigen es als Balsam für die Beschneidung; sie backen damit ihr ungesäuertes Brot; und es fehlt auch nicht die Version, wonach die jüdischen Männer menstruieren und das christliche Blut benötigen, um den Blutverlust wettzumachen4. Was den genauen Zweck des jüdischen Interesses am christlichen Blut betrifft, läßt also die Phantasmagorie durchaus einen gewissen Interpretationsspielraum - es geht ja gar nicht um diesen Zweck, er ist nur die Hülle des eigentlichen Sinns, den man dem Judentum geben möchte.
Der phantasierte Zusammenhang des Geldes, mit dem das Opfer gekauft wird, und des Blutes, das man ihm sodann abzapft, wird zum Scharnier des Christentums. Mit seiner Hilfe wird die Metapher des ‚Aussaugens‘ praktikabel: die Aneignung des Reichtums in Form des Zinses kann mit der phantasierten Tötung von Christus bzw. von Christen gekoppelt werden: Die Juden - signalisiert die antisemitische Konstruktion - ‚saugen‘ die Christen aus, sie ernähren sich von ihrem ‚Blut‘. Blut wird zum heiligen Saft der Akkumulation, es fungiert offenkundig als christliches Pseudonym für die Arbeit, die sich in Geld verwandelt.
3 Vgl. hierzu Léon Poliakov: Geschichte des Antisemitismus. Bd. 1. Ins Deutsche übersetzt v. Rudolf Pfisterer. 2. Aufl. Frankfurt am Main 1979. S.20ff.
4 Zu finden etwa bei Thomas Calvert: Diatriba of the Jews' Estate, preface to [Samuel Marochitanus]: The Blessed Jew of Marocco; Or a Blackmoor Made White, by Rabbi Samuel, a Jew Turned Christian. style="" lang="EN-GB"York 1648 (vgl. hierzu James Shapiro: Shakespeare and the Jews. New York 1996. S.37); oder auch in der Abrahamischen
Unter diesem Pseudonym konnten Christen sich mit Christus identifizieren - das Blut von Jesus verwandelte sich in ihr eigenes, und der Gottesdienst wurde zum Dienst an der ‚Rasse‘ - ihrer ‚Rasse‘, während die der anderen vom Teufel markiert wurde. Indem das Christentum die Juden zur Taufe zwang, trieb es diese Schlußfolgerung aus sich selbst hervor: Überall dort, wo Juden dem Druck nicht standhalten konnten und auch nicht bereit waren zu sterben - und sich also taufen ließen, wurde die christliche Blutmetapher als abendländischer Rassebegriff ausgeprägt. So zuerst im Spanien der Reconquista und der Inquisition: der Fetisch der Reinheit des Blutes - limpieza de sangre - richtete sich gegen die Neuchristen, gegen die getauften Juden, seien es es nun überzeugte Conversos oder heimlich am Judentum festhaltende Marranen. (Seine Wirkungsmacht besaß er zunächst vor allem im Bürgertum der Städte - erst in zweiter Linie bei den Ritterorden.) Und mit dieser Präzisierung der Blutmetapher war man auch gewappnet zur erfolgreichen Eroberung der neuentdeckten Kontinente und zur dauerhaften Unterwerfung ihrer Bevölkerung.
Mit Luther ist eine neue Stufe erreicht: Rationalisierung des christlichen Judenhasses. Luthers Antisemitismus ist höchst aktiver Natur: der ganze Ton seiner Rede gegen die Juden läuft auf praktisches Tun hinaus - sein „treuer Rath“, wie mit den Juden zu verfahren wäre, lautet: „Erstlich, daß man ihre Synagogen oder Schule mit Feur anstecke [...] damit Gott sehe, daß wir Christen seien. Zum andern, daß man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre [...] Dafur mag man sie etwa unter ein Dach oder Stall thun, wie die Zigeuner, auf daß sie wissen, sie seien nicht Herrn in unserm Lande [...] sondern im Elend und gefangen.“ Des weiteren empfiehlt Luther, man solle den Juden „das Geleit und Straße ganz und gar verbieten, denn sie haben nichts auf dem Lande zu schaffen“, - und natürlich soll ihnen der Wucher verboten werden „und nehme ihnen alle Baarschaft und Kleinod an Silber und Gold [...].“5 In einer frühen Konzeption der Zwangsarbeit sieht Luther schließlich vor, daß man unter den solchermaßen gefangen gehaltenen Juden „den jungen, starken Juden und Judin [...] Flegel, Axt, Karst, Spaten, Rochen, Spindel“ in die Hand geben soll - „und lasse sie ihr Brot verdienen im Schweiße ihrer Nasen [...].“ Aber Luther selbst ist skeptisch über den Erfolg seines Arbeitslagers; er glaubt nicht recht, daß sich durch solche Maßnahmen das Wesen der Juden ändern lasse - beteuert er doch, er habe gar nicht vor „die Juden zu bekehren, welchs
Lauber-Hütt, Bd. 1, Wien, Nürnberg 1721, S.33f.
5 Martin Luther: Von den Juden und ihren Lügen. In: Dr. Martin Luther's sämmtliche Werke. Bd. 32. Erlangen 1842. S.234
eben so möglich ist, als den Teufel zu bekehren [...] Summa es sind junge Teufel, zur Hölle verdammt.“6 Der Teufel erscheint hier wie bereits im früheren christlichen Diskurs als Präfiguration des Rassebegriffs: mit ihm wird fortwährend auf die Abstammung und die Physis der Juden gezielt.
In den Repressionen aber, die Luther für die Juden sich ausdenkt, kündigt sich ein neues Ethos an - es mobilisiert die Arbeit gegen das Geld, gegen den Wucher, gegen ‚den Juden‘. Aus dem christlichen Sinnbild des Blutes treten dabei zwar die Umrisse eines rationalistischen Arbeitsbegriffs hervor, im Unterschied jedoch zu Calvinisten und Puritanern, die das Geld gemeinsam mit der Arbeit aufwerten, hält aber Luther an der negativen Transsubstantiation des Christentums fest: der Verteufelung der Juden, die nach wie vor mit dem zinstragenden Kapital, mit der abstrakten Seite der Warenproduktion, identifiziert werden.
In der Mobilisierung der Arbeit berührt sich der modernisierte Judenhaß mit dem Feindbild des „Zigeuners“, das vor allem als Negativ des Arbeitsethos im 16. Jahrhundert ausgeprägt worden ist: „wie die Zigeuner“, sagt Luther, solle man die Juden behandeln. Als negative Abspaltung des neuen Ethos und der neuen Rationalität der Arbeit kann wohl auch das Phantombild der Hexe (und des Zauberers) gelten - das in Luthers Predigten ebenfalls breiten Raum einnimmt: mit ihm soll personifiziert und haftbar werden, was sich dem Zugriff der neuen Arbeitsdisziplin und ihrer Rationalität entzieht, ja ihnen zuwiderhandelt - unerklärliche und unbeeinflußbare Phänomene, die sich im Stoffwechsel mit der Natur einstellen, ebenso wie ein ausschweifendes Leben außerhalb der Standes- und Geschlechterordnung. Wie die Juden werden die Zigeuner und Hexen stets in engstem Zusammenhang mit dem Teufel gebracht - jene als „Teufelsbrut“, diese als „Teufelshuren“ gekennzeichnet. Anders aber als bei den judenfeindlichen Projektionen werden weder Hexen noch Zigeuner systematisch mit dem sich selbst zeugenden Geld identifiziert. Und wie die Entwicklung der Geldwirtschaft der modernen Organisation der Arbeit (also deren Abstraktion von den Produktionsmitteln und - bedingungen) vorausging, so setzte die massenhafte Verfolgung von Hexen und Zigeunern erst nach den ersten Wellen der Vertreibung der Juden ein. Nicht selten wurden dabei Methoden und Begriffe der Judenverfolgung übernommen: die Frauen etwa wurden verteufelt, indem man ihnen unterstellte, daß sie einen Hexensabbat in einer Hexensynagoge feierten.
6 Ebd. S.276
Der Rassebegriff ist, nachdem er für die Sklaven- und Massakerökonomie der Kolonien Bedeutung gewonnen hatte, auch auf die Juden angewandt worden - doch handelt es sich hier um eine Art Überdeterminierung. Mit ihm wird zunächst das niedrigere Produktivitätsniveau der fremden Bevölkerung in den eroberten Ländern als physische Eigenschaft phantasiert, den gesellschaftlich Unterlegenen also natürliche Unterlegenheit vorgehalten, um sie nach den Maßgaben der Produktion zu unterwerfen. Wenn nun aber die Juden als Rasse bezeichnet werden, so um die Übermacht, die man ihnen seit langem unterstellt, indem man sie mit der abstrakten Seite der Warenproduktion identifiziert, zu stürzen - und das heißt letztlich nach der Logik dieser Identifikation: die Juden zu vernichten. Rasse fungiert hier als ‚befreiendes Wort‘, das es erlaubt, etwas gegen die Juden zu unternehmen, und tritt damit an die Seite und schließlich an die Stelle des Vorwurfs des Gottesmords. Die unterworfene Bevölkerung der Kolonien hingegen wird von vornherein als integrierter Bestandteil der konkreten Seite der Warenproduktion wahrgenommen – Energiequelle, Haustier und Maschine in Menschengestalt: der Begriff der Rasse spiegelt hier die Arbeit, unter deren Regiment die Versklavten gezwungen werden, als körperliche Eigenschaft vor. Darum erscheinen die durch den Menschenhandel in Bewegung geratenen Bewohner fremder Erdteile dem christlich- abendländischen Bewußtsein nicht unbedingt weniger bedrohlich: ihre Unheimlichkeit gewinnen sie aber anders als die Juden nicht als mächtige Repräsentanten des Marktes, als Verkörperung des Tauschwerts, sondern im Gegenteil als die willenlosen Objekte des Marktes, als Verkörperung des Gebrauchswerts - als gezähmte und doch unzähmbare Natur.
Schon 1793 hatte Johann Gottlieb Fichte auf das von der Französischen Revolution exponierte Thema der politischen Gleichstellung von Juden und Nichtjuden mit Empörung reagiert - und dabei durchaus den Ton eines komödiantisch-possenhaften Antisemitismus angeschlagen: Den Juden „Bürgerrechte zu geben, dazu sehe ich wenigstens kein Mittel, als das, in einer Nacht ihnen allen die Köpfe abzuschneiden, und andere aufzusetzen, in denen auch nicht eine jüdische Idee sei.“7 Fichte geht von der geläufigen Identifikation des Judentums mit der abstrakten Macht des Geldes aus - das Judentum habe sich selbst (!) „zu dem den Körper erschlaffenden, und den Geist für jedes edle Gefühl tötenden Kleinhandel verdammt [...].“ Er verbindet diese althergebrachte Identifikation jedoch mit der emphatischen Bejahung der allerneuesten revolutionären Forderungen; das heißt, er bejaht
7 Johann Gottlieb Fichte: Beitrag zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die französische Revolution.
politische Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit - unter der Voraussetzung, daß die Juden davon ausgeschlossen sind. (Bei der Bücherverbrennung des Wartburgfests flogen darum auch Perückenzopf, Korporalsstock und preußischer Ulanenschnürleib in die Flammen, die das vorrevolutionäre Regime und die „reaktionäre“ Obrigkeit symbolisierten.)
Nathan der Weise wird zu Nathan dem Heiligen - aber Heilige gibt es keine mehr für den aufgeklärten Geist: „Fern sei von diesen Blättern der Gifthauch der Intoleranz, wie er es von meinem Herzen ist!“, schwört Fichte: „Derjenige Jude, der über die festen, man möchte sagen, unübersteiglichen Verschanzungen, die vor ihm liegen, zur allgemeinen Gerechtigkeits-, Menschen- und Wahrheitsliebe hindurchdringt, ist ein Held und ein Heiliger. Ich weiß nicht, ob es deren gab oder gibt. Ich will es glauben, sobald ich sie sehe. Nur verkaufe man mir nicht schönen Schein für Realität!“8 Zugleich liefert der deutsche Jakobiner den ersten Entwurf einer Verschwörungstheorie: Fichte glaubt, daß das Judentum „so fürchterlich werde“, nicht allein deshalb, weil es einen „abgesonderten, und so fest verketteten Staat bildet“, sondern vor allem, weil „dieser Staat auf dem Haß des ganzen menschlichen Geschlechts aufgebaut ist [...].“9 So lautet der spezifisch deutschnationale „Beitrag zur Berichtigung der Urteile [...] über die französische Revolution“. Das ganze menschliche Geschlecht, von dem Fichte spricht, ließ sich schließlich ohne größere Umstände im deutschen Volk zusammenfassen.
Die Verschwörung gegen die Menschheit, das Streben nach der Herrschaft über die Erde oder nach der Vernichtung von Menschheit und Welt: das ist offenkundig der neue Inhalt, der dem Judentum nun in Deutschlland und Deutschösterreich zugeschrieben wird. ‚Deutschsein‘ vermag geradezu die Bedeutung anzunehmen: sich ausersehen fühlen, die Menschheit zu verkörpern, gegen die das Judentum sich verschworen habe. Die Verschiebung ins Politische verleiht den überkommenen Topoi des antisemitischen Wahns vielfach andere Namen: der ‚wuchernde Jude‘, mit dem man stets die abstrakte Seite der Warenproduktion identifiziert hat, wird mit ‚raffendem Kapital‘ oder ‚internationalem Finanzjudentum‘ übersetzt und auf die expandierenden Börsen- und Aktiengeschäfte bezogen; der ‚christliche Handelsmann‘, dem immer zugute gehalten worden ist, daß er lediglich die Gebrauchsgüter vermittle, kehrt wieder in der Bezeichnung des ‚schaffenden Kapitals‘. Diese aber meint nicht allein den ausschließlich auf die Produktion von Gebrauchswerten abonnierten ‚Wirtschaftsführer‘, der Fetisch des ‚schaffenden Kapitals‘ schließt vielmehr die Lohnarbeit mit ein. Wagners deutscher Held Siegfried unterscheidet sich von Shakespeares christlichem Kaufmann
In: Schriften zur Revolution. Hg. v. Bernard Willms. Frankfurt am Main-Berlin-Wien 1973. S.176
8 Ebd.
Antonio vor allem darin, daß er Kapital und Arbeit in sich vereint – daß er das Schwert, mit dem er die Welt erobern und von den Nibelungen säubern möchte, eigenhändig schmiedet. So kann, wie Moishe Postone schreibt, „das industrielle Kapital als direkter Nachfolger ‚natürlicher‘ handwerklicher Arbeit auftreten und im Gegensatz zum ‚parasitären‘ Finanzkapital, als ‚organisch verwurzelt‘. Seine Organisation scheint der Zunft verwandt zu sein [...].“10 Und darum wird es möglich, daß die romantisch ‚rückwärtsgewandte‘ Verherrlichung der ‚Natur‘, des Blutes, des Bodens, der konkreten Arbeit ohne weiteres mit der ‚fortschrittlichen‘ Idealisierung der modernen Technologie und des industriellen Kapitals zusammengeht. Diese Symbiose des ‚schaffenden Kapitals‘, die sich vom ‚raffenden‘ abgrenzt wie Siegfried von Mime, zielt auf einen neuen Staatstypus. Es handelt sich um einen spezifisch deutschen Typus, insofern mit ihm Luthers Arbeitsethos auf der Basis der Lohnarbeit modernisiert werden kann: Der Staat beansprucht, im selben Maß Sachwalter des Kapitals wie der Arbeit zu sein - ja er möchte die Identität beider realisieren. Die antisemitische Projektion, die in den früheren Jahrhunderten auf die Frage von Reichtum und Armut im unmittelbaren Sinn, auf das Verhältnis von akkumuliertem Kapital und enteigneten Kleinproduzenten beschränkt blieb, droht jedenfalls nun auch das Staatsbewußtsein jener neuen großen Klasse zu prägen, die ihre Arbeitskraft verkaufen muß.
Einstmals partizipierte die Macht des Souveräns an den unmittelbaren Formen der Herrschaft: Grundherrschaft, Lehenswesen und Leibeigenschaft bildeten solche Herrschaftsstrukturen; mit der Durchsetzung der Warenproduktion zerfielen sie. Wie kann eine Bevölkerung, die in bloße Subjekte des Tausches zerfällt, einerlei ob sie nun ihre Arbeitskraft oder andere Waren zu Markte tragen, wie kann eine solche Gesellschaft von vereinzelten Produzenten und Konsumenten weiterhin an einen Souverän gebunden werden? Das war das große Problem der Staatsbürokratie seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Die Revolutionen zwischen 1789 und 1848 zeigten deutlich, wieviel Kohäsionskraft der Staat verloren hatte. Gleichwohl bedurfte der dem Absolutismus entwachsende Markt einer staatlichen Regulation, einer gewissen Regelung der Rahmenbedingungen, damit die Akkumulation des Kapitals vorangehen konnte. Mehr als alle Klassenkonfrontationen scheint dieses Dilemma das Erkennungszeichen der Epoche zu sein.
Einerlei ob sich die Träger des Staats als Revolutionäre oder als Konservative verstanden, indem sie diese Macht übernahmen, waren sie gezwungen, dem latenten inneren Zerfall von
9 Ebd. S.174f. 10Moishe Postone: Nationalsozialismus und Antisemitismus. Ein theoretischer Versuch. In: Antisemitismus und Gesellschaft. Hg. v. Michael Werz. Frankfurt amMain 1995. S.36. In dieser Ausgabe des vielfach abgedruckten Textes heißt es hier irrtümlich „Zukunft“ statt „Zunft“.
Souveränität entgegenzuwirken. Das Volk mußte staatstreu gemacht werden - auf welche Weise, mit welchen Mitteln auch immer. Große militärische Macht von Nachbarstaaten (Napoleon!) oder die türkische Bedrohung waren günstige Voraussetzungen, um diese Staatstreue als Nationalbewußtsein zu provozieren. Doch wirkungsvoller noch war die Vorstellung einer Bedrohung von allen Seiten, einer Weltverschwörung gegen das eigene Land, das eigene Volk - und am besten, wenn sie durch einen imaginären Feind im Inneren gelenkt wurde, den man lange schon mit der Macht des Geldes identifizierte. Der ‚Hofjude‘ wurde zum ‚Liberalitätsjuden‘ umgetauft: zum Verteter des staatenlosen Reichtums, zum Anti-Staatsbürger schlechthin - leibhaftiges Menetekel dessen, was der liberale Bürger ist, solange er nicht zum Staatsbürger wird. Und jene Staaten, die in ihrer Heterogenität besonders bedroht waren vom Zerfall - Deutschland, die Habsburgermonarchie, aber auch das zaristische Rußland, dessen Geheimpolizei ja die Protokolle der Weisen von Zion fabrizierte - bedurften eines solchen Menetekels gewiß in besonderem Maße.11 Die jahrhundertelange Kontinuität des Antisemitismus sollte gewiß nicht jene „ungeheuerliche Tatsache“ verdecken, auf die Ulrich Enderwitz nachdrücklich aufmerksam macht: „daß es die politische Gewalt selbst, die Staatsmacht höchstpersönlich ist, die den Juden jetzt ihre Rolle verschreibt, die also den Antisemitismus in seiner novellierten Form propagiert und übt.“ Aber sie ist es höchstpersönlich eher im wörtlichen Sinn: der Antisemitismus bewährt sich als private Weltanschauung oder eben geheimdienstliche Strategie jener, die in staatlicher und öffentlicher Funktion gezwungenermaßen exekutieren, was die Kapitalisierung ihnen vorschreibt: die rechtliche Gleichstellung aller Subjekte des Marktes als Bürger des Staates. Im Antisemitismus kann dieses Staatspersonal seinen Vorbehalt gegenüber dieser Gleichstellung ausleben - ohne die Kapitalisierung in Frage stellen zu müssen. Er geht also weniger vom Staat an sich, als von dessen Personal aus: „die Junker, Staatspapierrentiers, höheren Verwaltungsbeamten, Gerichtsassesoren, Gymnasiallehrer und Universitätsprofessoren - sie sind es, die im 19.Jahrhundert die Juden aus allen Emanzipationsträumen herausreißen und erneut ins Schußfeld einer gesellschaftspolitischen Feindbildprojektion rücken.“12
11 In anderen, ‚homogeneren‘ Ländern spielte dieser moderne Antisemitismus eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Man spricht von einem ‚gesunden Nationalbewußtsein‘ - und in besonderem Ausmaß, weil revolutionär ausgeprägt, glaubt man es in Frankreich zu finden. Doch sollte die Dreyfus-Affäre nicht vergessen werden, um die Latenz richtig zu beurteilen. In Rußland, das ein der Habsburgermonarchie vergleichbares ‚nationales‘ Dilemma besaß, ließ der zaristische Staat selbst (von seiner Geheimpolizei) die Protokolle der Weisen von Zion fabrizieren, um durch dieses gefälschte Dokument, das die ‚Weltverschwörung des Judentums‘ beweisen sollte, seine Existenz zu sichern. Er scheiterte wenig später auf spektakuläre Weise.
12Ulrich Enderwitz: Antisemitismus und Volksstaat. Zur Pathologie kapitalistischer Krisenbewältigung. Freiburg 1991. S.104
In einem späten Text bezeichnet Wagner „den Juden“ als „den plastischen Dämon des Verfalls der Menschheit“. Diese Schrift von 1881 bietet das Äußerste des Wagnerschen Antisemitismus. Konkreter Anlaß der Polemik bildet die neue Reichsgesetzgebung über die Gleichstellung der Juden. Sie fordert Wagner zu einigen Klarstellungen heraus: Er spricht von einer an die Juden erteilten „Vollberechtigung, sich in jeder erdenklichen Beziehung als Deutsche anzusehen, - ungefähr wie die Schwarzen in Mexiko durch ein Blanket autorisiert wurden, sich für Weiße zu halten.“ Angesichts dieser „Frivolität unserer Staatsautoritäten“, die eine so ungeheuere, unabsehbar folgenschwere Umgestaltung unsres Volkswesen [...] dekredieren konnten“, sieht sich Wagner gezwungen, das Judentum genauer zu definieren als in seinen früheren Polemiken: Es gilt, vom individuellen religiösen Bekenntnis abzusehen, um die „Rasse“ herauszupreparieren und diese noch deutlicher mit dem Geld zu identifizieren: „Wie war es möglich, daß es je zu irgendeiner Zeit Deutsche gab, welche alles, was den Stamm der Juden uns in fernster Entfremdung erhält, unter dem Begriffe einer religiösen ‚Konfession‘ auffassten [...].“13 Um darzulegen, was nun den Stamm der Juden in fernster Entfremdung erhält, kommt Wagner auf das Geld als den Dämon der Menschheit zu sprechen, den er im Ring selbst gestaltet habe, und kehrt zum Judentum zurück, indem er dem Dämon Plastizität verleiht, und also ‚den Juden‘ als den „plastischen Dämon des Verfalles der Menschheit“ identifiziert. (Die Stelle wird übrigens im NS-Propagandafilm Der ewige Jude zitiert - als einziges Zitat neben den Worten Hitlers - und zu dem Kommentar: „diese Bilder bestätigen die Richtigkeit seines [Wagners] Ausspruches“ mit Aufnahmen aus polnischen Ghettos illustriert.14)
Am Ende seiner Überlegungen stellt sich Wagner die Frage, was denn nun mit diesem Dämon zu geschehen habe. Es ist, als folgte er dabei zunächst der Marxschen Auffassung vom Warenfetisch und der gespenstigen Gegenständlichkeit des Tauschwerts, wenn er die Nationalökonomie kritisiert und deren Fetischisierungen als bösen Traum beschreibt. Genau jene Stelle aber, die bei Marx der Begriff des Wertes - als realer Abstraktion - einnimmt, besetzt Wagner mit dem Judentum15 - als dem Dämon der Menschheit. Marx ist es – im
13 Richard Wagner: Erkenne Dich selbst. In: Richard Wagner: Eine Mitteilung an meine Freunde. In: Richard Wagners Gesammelte Schriften. Hg. v. Julius Kapp. Leipzig o. J. (1914) Bd. 14. S.183
14 Filmprotokoll Der ewige Jude. O. O. O. J. S.2ff.
15 Vgl. hierzu Moishe Postones Theorie über Antisemitismus und Nationalsozialismus: „Die Juden wurden nicht bloß als Repräsentanten des Kapitals angesehen (in diesem Fall wären die antisemitischen Angriffe wesentlich klassenspezifischer gewesen), sie wurden vielmehr zu Personifikationen der unfaßbaren, zerstörerischen, unendlich mächtigen, internationalen Herrschaft des Kapitals. Bestimmte Formen antikapitalistischer
Unterschied zu seinem frühen Aufsatz „Zur Judenfrage“ - in seinen späteren Studien zur Kritik der politischen Ökonomie gelungen, im Tauschwert die abstrakt gewordene Arbeit sichtbar zu machen, während Wagner immer daran festgehalten hat, daß ein dämonisches Wesen aus dem unschuldigen Gold den fluchbeladenen Ring geschmiedet habe, daß nicht die Arbeit in ihrer Abstraktheit, sondern ihr imaginärer Kommandant dämonisch sei. Weil Wagner das real Abstrakte des Kapitalverhältnisses nicht denken wollte, brauchte er das irreal Konkrete des jüdischen Dämons: „Mit unsrer ganzen, weit umfassenden Staats- und Nationalökonomie, scheint es, sind wir in einem bald schmeichelnden, bald beängstigenden, endlich erdrückenden Traume befangen: aus ihm zu erwachen, drängt alles; aber das Eigentümliche des Traumes ist, daß, solange er uns umfängt, wir ihn für das wirkliche Leben halten und vor dem Erwachen aus ihm wie vor dem Tode uns sträuben. Der letzte höchste Schreck gibt dem auf das äußerste Beängstigten endlich wohl die nötige Kraft: er erwacht, und was er für das Allerrealste hielt, war ein Truggespinst des Dämons der leidenden Menschheit.“16 Mit dem Allerrealsten ist das Geld gemeint, als konkret erscheinendes Tauschmittel - dieses aber ist nur ein Truggespinst des plastischen Dämons, ‚des Juden‘. Das Gespinst zu zerreißen, bedeutet, dafür zu sorgen, daß der Dämon „kein Wo und Wann zu seiner Bergung unter uns mehr aufzufinden vermag [...] Uns Deutschen könnte [...] diese große Lösung eher als jeder anderen Nation ermöglicht sein, sobald wir ohne Scheu, bis auf das innerste Mark unsres Bestehens, das ‚Erkenne-dich-selbst‘ durchführten. Daß wir, dringen wir hiermit nur tief genug vor, nach der Überwindung aller falschen Scham, die letzte Erkenntnis nicht zu scheuen haben würden, sollte mit dem Voranstehenden dem Ahnungsvollen angedeutet sein.“17
Mit den letzten Worten erläutert Wagner auch die Methodik seines Antisemitismus: dem Ahnungsvollen wird angedeutet, den Ahnungslosen bleibt verschlossen, was Wagner selbst nicht aussprechen kann oder möchte: die physische Vernichtung der Juden. Nicht nur dieses verdunkelte Ziel, sondern auch die Methodik der Verdunkelung bleibt in Deutschland und Österreich maßgeblich für die Diskriminierung und Verfolgung der Juden. Bis in die
Unzufriedenheit richteten sich gegen die in Erscheinung tretenden abstrakte Dimension des Kapitals in Gestalt des Juden, und zwar nicht etwa, weil die Juden bewußt mit der Wertdimension identifiziert worden waren, sondern vielmehr deshalb, weil durch den Gegensatz seiner konkreten und abstrakten Dimensionen der Kapitalismus selbst so erscheinen konnte. Deshalb geriet die ‚antikapitalistische Revolte‘ zur Revolte gegen die Juden. Die Überwindung des Kapitalismus und seiner negativen Auswirkungen wurde mit der Überwindung der Juden gleichgesetzt.“ (Postone, Nationalsozialismus und Antisemitismus, S.38.) Doch die Voraussetzung, daß der Kapitalismus selbst so erscheinen konnte, bedeutet nicht unbedingt, daß er wirklich so erscheint, wie die Antisemiten ihn imaginieren. Hier bedarf es durchaus des aktiven Beitrags von Antsemiten wie Richard Wagner, um die Juden mit der Wertdimension zu identifizieren, wenngleich eher von einer unbewußten als bewußten Identifizierung auszugehen wäre.
16 Wagner, Erkenne dich selbst, S.192
Terminologie hinein schließen Politiker und Denker wie Adolf Hitler oder Ernst Jünger an Wagners Bemerkungen unmittelbar an: so beklagt Jünger 1930 an den nationalen Bewegungen den „Mangel an Instinktsicherheit [...], aus dem heraus der Stoß gegen den Juden zwar oft unter großem Aufwand, aber immer viel zu flach angesetzt wird, um wirksam zu sein.“ - „Um gefährlich, ansteckend, zerstörend werden zu können, war für ihn [‚den Juden‘] zunächst ein Zustand nötig, der ihn in seiner neuen Gestalt, in der Gestalt des Zivilisationsjuden überhaupt möglich machte [...] So ist es kein Zufall, daß der italienische Faschismus mit dem Zivilisationsjuden auf gutem Fuße steht, denn der Faschismus ist unzweifelhaft nichts als ein später Zustand des Liberalismus [...] Für Deutschland aber ist der Faschismus ebensowenig wie der Bolschewismus gemacht, sie reizen an, ohne daß sie befriedigen werden, und man darf von diesem Lande schon hoffen, daß es einer eignen und strengeren Lösung fähig ist.“18 Lösung – in der Zusammensetzung von End- oder Gesamtlösung - wurde dann im Dritten Reich zur wichtigsten Tarnvokabel des Massenmords an den europäischen Juden. Sie trat im entscheidenden Moment sogar an die Stelle des Antisemitismus-Begriffs, der sich offenbar weniger zur Camouflage eignete und zugleich keine solche teleologische Sogwirkung besaß, auf die man großen Wert legte: 1939, als das Ziel der Endlösung bereits angebahnt wurde, verbot Goebbels ausdrücklich in dem von seinem Ministerium herausgegebenen Zeitschriftendienst das Wort Antisemitismus. Wie diese Lösung konkret aussehen sollte, wurde ja auch im Dritten Reich nicht offen diskutiert. Einerseits wußte man bis 1941 - bis zum Überfall auf die Sowjetunion - selbst noch nicht, was genau mit den Juden geschehen sollte und wie es geschehen sollte; andererseits verband sich diese Unklarheit mit jenem merkwürdigen Diskurs, mit dem die Nazi-Führung der Bevölkerung und die Bevölkerung sich selbst verschweigen konnte, was sie gleichzeitig taten oder duldeten. Es etablierte sich in diesem ‚seelischen Versteckspiel‘ eine eigene Metaphorik der Anspielung, die dem Ahnungsvollen andeutete, was geschah und es zugleich verbarg, falls die falsche Scham noch nicht ganz überwunden sein sollte.19 Sie ließ um die Vernichtungslager eine Art von Aura entstehen. Diese Aura des Geheimnisvollen erwies sich
17 Ebd.
18 Ernst Jünger: Über Nationalismus und Judenfrage. In: Süddeutsche Monatshefte 27/Oktober 1929-September 1930. S.844f.
19 In der Forschung über den NS-Staat und den Holocaust wurde gerade dieses Ineinander von eindeutiger Vernichtungs-Taktik und jenem ‚seelischem Versteckspiel‘ kaum beachtet. Gegenüber den Darstellungen, die davon ausgehen, daß die Bevölkerung nichts oder wenig wußte von der Durchführung der Lösung der Judenfrage, hat Daniel Goldhagen recht mit seiner These, daß die Wege der Vernichtung im Dritten Reich für jedermann klar zutage lagen und gewissermaßen offen diskutiert wurden. (Vgl. Daniel Jonah Goldhagen: Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust. Berlin 1996. S.158-161) Dennoch gab es bei den Tätern wie bei den Zuschauern ebenso das Interesse, diese Wege zu verschleiern - und zwar nicht allein im Nachhinein, aus der Perspektive der Nachkriegszeit, sondern in der Phase der Vorbereitung und
zugleich als die denkbar beste Taktik, um zum heilsgeschichtlichen Ziel des Nationalsozialismus zu gelangen: Sie bewirkte vor allem, daß die Betroffenen bis zuletzt keine Klarheit darüber gewinnen konnten, was man mit ihnen vorhatte.20
Die Mythisierung der planmäßigen Vernichtung endete in jenen falschen Duschen der Vernichtungslager, durch die man das Gas einströmen ließ.
Durchführung des Massenmords selbst.
20 Nur ein Außenseiter wie Theodor Lessing konnte bereits 1932 prophezeien, daß man die „Judenfrage“ in Deutschland mit Gewalt „lösen“ werde: „Am einfachsten also wäre es, die 12 oder 14 Millionen Juden totzuschlagen.“ (Theodor Lessing: Die Unlösbarkeit der Judenfrage. Zit. n. Ludger Heid: Die Juden sind unser Unglück! Der moderne Antisemitismus in Kaiserreich und Weimarer Republik. In: Christina v. Braun, Ludger Heid (Hg.): Der ewige Judenhaß. Christlicher Antijudaismus, Deutschnationale Judenfeindlichkeit, Rassistischer Antisemitismus. Stuttgart 1990. S.128
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Freiheit der Wissenschaft und die Freiheit, beschnitten zu werden
Verfasst von vonhaeften am 14 Dezember, 2008 - 14:12.
Nicht selten denkt man als Leser der "Jüdischen Allgemeinen", man müsse "!Einspruch!" erheben - so wie es der Herausgeber Christian Böhme in der neuesten Ausgabe vom 11.12.2008 auf der ersten Seite tut. "Einspruch" erhob Böhme
Zunächst einmal muß man klarstellen: niemand will die Wissenschaft von ihrer Freiheit "befreien"- wie es Böhme mit seiner Aussage
suggeriert. Die Politiker-Leerformel "es geht doch nur um..." bzw. "es geht uns um..." ist meistens die Einleitung zu einer Aussage, die entweder nur noch entfernt etwas mit dem Thema zu tun hat oder aber davon ablenken will, daß die nachfolgende Aussage eine Behauptung enthält, deren Beweis angesichts ihrer "Offensichtlichkeit" nicht erbracht zu werden braucht. Will sagen: ob die Kritiker von Wolfgang Benz allesamt einer gewissen "Gesinnung" anhängen und diese gegen die "freie Wissenschaft" durchsetzen wollen, bleibt zu beweisen und daß es so ist, kann nur jemand behaupten, der die bisherige Diskussion sehr oberflächlich verfolgt hat. Weder Matthias Küntzel noch Henryk Broder oder Walter Schmidt (allesamt auf der Achse der Guten zu lesen) wollten Benz und seinem ZaF ihre Gesinnung vorschreiben oder ihm verbieten, seine Forschungen zu veröffentlichen. Und Kritik muß gerade in diesem Falle erlaubt sein, wo ein "Forscher" sich mit einem Thema beschäftigt, das in der Öffentlichkeit überaus kontrovers diskutiert wird.
Wir dürfen also Wolfgang Benz, seine Mitarbeiter und das ZaF kritisieren, wenn uns deren Aussagen in Zeitungen, Radio und Internet zum Tagesordnungspunkt "FEINDBILD ISLAM UND ISLAMISIERTER ANTISEMITISMUS" nicht gefallen [1]. Fairerweise sollten wir aber, bevor wir mit süffisant-schadenfrohem Ton Benz und seine Mitarbeiter als Propheten im Tal der Ahnungslosen [2]
diffamieren, wenigstens andeutungsweise deren Verdienste um die Erforschung des Antisemitismus erwähnen. Nicht weil die Leser der Blogger von Achse des Guten etc. das alles nicht wüßten, sondern weil es einfach zu einem guten Diskussionsstil gehört und weil das Zentrum für Antisemitismusforschung es auch verdient hat.
Aber: laut Christian Böhme
So als wenn es Vorurteile nur gegenüber Minderheiten gäbe. Gewiß, die Juden sind weltweit eine Minderheit, ein winziges Völkchen, das noch dazu in aller Herren Länder verteilt ist und auch dort jeweils nur eine Minderheit darstellt. Hier ist es in der Tat angebracht, die "Mechanismen der Ausgrenzung und Diskriminierung von Minderheiten" zu erforschen. Moslems stellen dagegen mit 1,5 Milliarden weltweit ganz sicher keine Minderheit dar. Möglicherweise sind sie in gewissen Ländern nur eine kleine Minderheit, aber weltweit? Warum also soll es dann gegen diese riesengroße Gruppe von Menschen Vorurteile geben? Und seit wann? Etwa schon seit Jahrhunderten? Plant man in Deutschland oder Frankreich schon ihre Vernichtung? Wo sind Anzeichen einer systematischen staatlichen Verfolgung von Muslimen erkennbar? In allen Ländern der EU ist eher das Gegenteil der Fall, und das hängt - vielleicht - damit zusammen, daß Muslime weltweit eben keine Minderheit sind und die westlichen Demokratien im Laufe des letzten Jahrhunderts sehr viel für den Minderheitenschutz getan haben (die deutschen Nazis fallen nicht unter den Begriff "westliche Demokratie"). Juden dagegen waren schon immer in allen Ländern eine kleine, sehr gut erkennbare (zudem noch erfolgreiche) Minderheit, und auch wenn es Arvid Vormann vom Wadi-Blog [5] nicht paßt, gerade diese Tatsache stellt aus soziobiologischer Sicht einen Grund für den Antisemitismus dar. Allerdings liefern Soziobiologen lediglich wahrscheinlichkeitstheoretische Aussagen [3], aber die sind wenigstens präziser als solche geballte Polemik wie man sie auf dem Wadi-Blog findet:
Das klingt zwar ganz gut, ist aber meilenweit von einer sachlichen Argumentation entfernt und beweist gar nichts.
Wie wäre es statt dessen mit folgender Empfehlung: statt sich mit einer angeblichen "Islamophobie" auseinanderzusetzen, hätten Benz und seine Mitarbeiter lieber das Thema Antiamerikanismus untersuchen sollen, , das wissenschaftlich viel interessanter als die von den muslimischen Interessenverbänden herbeigeredete "Islamophobie" ist: denn US-Amerikaner stellen einen nicht zu übersehenden Teil der Weltbevölkerung dar und sind als Minderheit in einzelnen Ländern überhaupt nicht wahrnehmbar. Ähnlich wie beim Antisemitismus haben wir es beim "Antiamerikanismus" mit einer schon seit hunderten von Jahren bestehenden Erscheinung zu tun [4], die in zahllosen Aspekten Verwandtschaft zum Antisemitismus aufweist und gerade seit 9/11 einen mächtigen Auftrieb erfahren hat. Gerade weil dieses Ressentiment nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit schon als eine kulturelle Errungenschaft gefeiert wird, mit der man sich auf jeder Party schmücken kann, auf der man auch ein paar abfällige Sätze über die USraelis fallen lassen kann, gerade deshalb wäre es für Benz und sein Institut ein spannender Forschungsschwerpunkt.
Es stellt sich also die Frage, warum Benz und sein Institut ausgerechnet auf die "Islamophobie" gekommen sind, als sie sich die berechtigte Frage stellten, auf welche weitere "Phobie" man wohl die in den vergangenen Jahren der Forschungsarbeit gewonnenen Erkenntnisse über die Grundmechanismen des Antisemitismus anwenden könnte. Man kann hier nur Vermutungen anstellen, andererseits ist die Beantwortung dieser Frage nicht allzu wichtig, weil es sich bei diesem Thema meiner Meinung nach um einen einmaligen "Ausrutscher" handelt, den das Institut nicht weiter verfolgen wird. Es sei denn, es würde seinen Namen in "Zentrum für Antiislam-Forschung" ändern.
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GAZA (inn) - Die Hamas im Gazastreifen bezichtigt die UNO-Flüchtlingshilfeorganisation UNRWA eines "Kriegsverbrechens". In einem offenen Brief an den UNRWA-Chef im Gazastreifen, John Ging, werfen Vertreter der Hamas der UNO-Behörde vor, eine Erwähnung des Holocaust in den Lehrplan für Achtklässler aufgenommen zu haben, obgleich der Holocaust eine "von den Medien vervielfältige Lüge und Erfindung der Zionisten" sei. Israelnetz.com - Nachrichten aus Israel und dem Nahen Osten: Artikel-Arabische Welt
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Hamas kritisiert UNO-Holocaust-Lektionen: "Montag, 31. August 2009 von ih Redaktion Hamas kritisiert UNO-Holocaust-Lektionen Hamas kritisierte die Vereinten Nationen für ihren angeblichen Plan, Kindern in Gaza über den Holocaust unterrichten zu wollen. Diese Pläne wurden allerdings von der UNO nicht bestätigt. Hamas forderte einen UN-Amtsträger auf, Pläne für ein neues Geschichtsbuch in Schulen in Gaza zurückzuziehen, in dem auch der Holocaust abgehandelt werden sollte. Hamasvetreter bezeichneten den Genozid der Nazis an den Juden als eine Erfindung der Zionisten. Laut UNRWA befindet sich das Thema Holocaust gegenwärtig nicht auf dem Lehrplan. Die Hamas fürchtet, dass ein Einschluß des Themas in den Lehrplänen dazu führen würde, bei der eigenen Bevölkerung eine größere Akzeptanz von Israel und dessen jüdischer Bevölkerung hervorzurufen."
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