Dienstag, 12. Januar 2010

Freiheit der Wissenschaft und die Freiheit, beschnitten zu werden

Freiheit der Wissenschaft und die Freiheit, beschnitten zu werden  

Nicht selten denkt man als Leser der "Jüdischen Allgemeinen", man müsse "!Einspruch!" erheben - so wie es der Herausgeber Christian Böhme in der neuesten Ausgabe vom 11.12.2008 auf der ersten Seite tut. "Einspruch" erhob Böhme

  • gegen eine seiner Meinung nach "boshafte Kampagne" gegen den Leiter des ZfA (Zentrums für Antisemitismusforschung) Wolfgang Benz und sein Institut wegen dessen Konferenz über das Verhältnis von Antisemitismus und Islamophobie vom 08.12.2008
  • gegen eine massive "Mobilmachung vor allem in Internetblogs" gegen den Forscher
  • gegen "den Vorwurf einer gefährlichen Parallelisierung der gegenwärtigen Islamfeindschaft und der historischen Judenfeindschaft".

Wolfgang Benz: in Wirklichkeit geht es um Gesinnung

Zunächst einmal muß man klarstellen: niemand will die Wissenschaft von ihrer Freiheit "befreien"- wie es Böhme mit seiner Aussage

"In Wirklichkeit geht es um Gesinnung. Und die ist das Gegenteil von freier Wissenschaft"

suggeriert. Die Politiker-Leerformel "es geht doch nur um..." bzw. "es geht uns um..." ist meistens die Einleitung zu einer Aussage, die entweder nur noch entfernt etwas mit dem Thema zu tun hat oder aber davon ablenken will, daß die nachfolgende Aussage eine Behauptung enthält, deren Beweis angesichts ihrer "Offensichtlichkeit" nicht erbracht zu werden braucht. Will sagen: ob die Kritiker von Wolfgang Benz allesamt einer gewissen "Gesinnung" anhängen und diese gegen die "freie Wissenschaft" durchsetzen wollen, bleibt zu beweisen und daß es so ist, kann nur jemand behaupten, der die bisherige Diskussion sehr oberflächlich verfolgt hat. Weder Matthias Küntzel noch Henryk Broder oder Walter Schmidt (allesamt auf der Achse der Guten zu lesen) wollten Benz und seinem ZaF ihre Gesinnung vorschreiben oder ihm verbieten, seine Forschungen zu veröffentlichen. Und Kritik muß gerade in diesem Falle erlaubt sein, wo ein "Forscher" sich mit einem Thema beschäftigt, das in der Öffentlichkeit überaus kontrovers diskutiert wird.

Wir dürfen also Wolfgang Benz, seine Mitarbeiter und das ZaF kritisieren, wenn uns deren Aussagen in Zeitungen, Radio und Internet zum Tagesordnungspunkt "FEINDBILD ISLAM UND ISLAMISIERTER ANTISEMITISMUS" nicht gefallen [1]. Fairerweise sollten wir aber, bevor wir mit süffisant-schadenfrohem Ton Benz und seine Mitarbeiter als Propheten im Tal der Ahnungslosen [2]

diffamieren, wenigstens andeutungsweise deren Verdienste um die Erforschung des Antisemitismus erwähnen. Nicht weil die Leser der Blogger von Achse des Guten etc. das alles nicht wüßten, sondern weil es einfach zu einem guten Diskussionsstil gehört und weil das Zentrum für Antisemitismusforschung es auch verdient hat.

Vorurteilsforschung an der 1,5 Milliarden-Minderheit der Moslems


Aber: laut Christian Böhme

"versteht [Benz] sich als Vorurteilsforscher, der das Wissen über Judenfeindschaft und Schoa nutzt, um auf heutige Mechanismen der Ausgrenzung und Diskriminierung von Minderheiten aufmerksam zu machen."

So als wenn es Vorurteile nur gegenüber Minderheiten gäbe. Gewiß, die Juden sind weltweit eine Minderheit, ein winziges Völkchen, das noch dazu in aller Herren Länder verteilt ist und auch dort jeweils nur eine Minderheit darstellt. Hier ist es in der Tat angebracht, die "Mechanismen der Ausgrenzung und Diskriminierung von Minderheiten" zu erforschen. Moslems stellen dagegen mit 1,5 Milliarden weltweit ganz sicher keine Minderheit dar. Möglicherweise sind sie in gewissen Ländern nur eine kleine Minderheit, aber weltweit? Warum also soll es dann gegen diese riesengroße Gruppe von Menschen Vorurteile geben? Und seit wann? Etwa schon seit Jahrhunderten? Plant man in Deutschland oder Frankreich schon ihre Vernichtung? Wo sind Anzeichen einer systematischen staatlichen Verfolgung von Muslimen erkennbar? In allen Ländern der EU ist eher das Gegenteil der Fall, und das hängt - vielleicht - damit zusammen, daß Muslime weltweit eben keine Minderheit sind und die westlichen Demokratien im Laufe des letzten Jahrhunderts sehr viel für den Minderheitenschutz getan haben (die deutschen Nazis fallen nicht unter den Begriff "westliche Demokratie"). Juden dagegen waren schon immer in allen Ländern eine kleine, sehr gut erkennbare (zudem noch erfolgreiche) Minderheit, und auch wenn es Arvid Vormann vom Wadi-Blog [5] nicht paßt, gerade diese Tatsache stellt aus soziobiologischer Sicht einen Grund für den Antisemitismus dar. Allerdings liefern Soziobiologen lediglich wahrscheinlichkeitstheoretische Aussagen [3], aber die sind wenigstens präziser als solche geballte Polemik wie man sie auf dem Wadi-Blog findet:


Wie das Amen in der Kirche offenbart sich denn auch das Ressentiment im Banalen. Wenn Benz schildert, was Feindbild Muslim und Feindbild Jude eine, dann ahnt man etwas von den intellektuellen Abgründen seiner Pseudo-Wissenschaft: “Ich definiere von der Mehrheit aus eine bestimmte Gruppe, stigmatisiere sie dann, dann kann ich sie ausgrenzen mit allen weiteren Erfolgen.”

Das klingt zwar ganz gut, ist aber meilenweit von einer sachlichen Argumentation entfernt und beweist gar nichts.

Antiamerikanismus - Alternative zum Forschungsgegenstand "Islamophobie"

Wie wäre es statt dessen mit folgender Empfehlung: statt sich mit einer angeblichen "Islamophobie" auseinanderzusetzen, hätten Benz und seine Mitarbeiter lieber das Thema Antiamerikanismus untersuchen sollen, , das wissenschaftlich viel interessanter als die von den muslimischen Interessenverbänden herbeigeredete "Islamophobie" ist: denn US-Amerikaner stellen einen nicht zu übersehenden Teil der Weltbevölkerung dar und sind als Minderheit in einzelnen Ländern überhaupt nicht wahrnehmbar. Ähnlich wie beim Antisemitismus haben wir es beim "Antiamerikanismus" mit einer schon seit hunderten von Jahren bestehenden Erscheinung zu tun [4], die in zahllosen Aspekten Verwandtschaft zum Antisemitismus aufweist und gerade seit 9/11 einen mächtigen Auftrieb erfahren hat. Gerade weil dieses Ressentiment nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit schon als eine kulturelle Errungenschaft gefeiert wird, mit der man sich auf jeder Party schmücken kann, auf der man auch ein paar abfällige Sätze über die USraelis fallen lassen kann, gerade deshalb wäre es für Benz und sein Institut ein spannender Forschungsschwerpunkt.

Es stellt sich also die Frage, warum Benz und sein Institut ausgerechnet auf die "Islamophobie" gekommen sind, als sie sich die berechtigte Frage stellten, auf welche weitere "Phobie" man wohl die in den vergangenen Jahren der Forschungsarbeit gewonnenen Erkenntnisse über die Grundmechanismen des Antisemitismus anwenden könnte. Man kann hier nur Vermutungen anstellen, andererseits ist die Beantwortung dieser Frage nicht allzu wichtig, weil es sich bei diesem Thema meiner Meinung nach um einen einmaligen "Ausrutscher" handelt, den das Institut nicht weiter verfolgen wird. Es sei denn, es würde seinen Namen in "Zentrum für Antiislam-Forschung" ändern.




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